Rohstoffe: Die Rohstofffrage als politisches Problem

Rohstoffe: Die Rohstofffrage als politisches Problem
Rohstoffe: Die Rohstofffrage als politisches Problem
 
Die internationale Rohstoffpolitik ist rund 100 Jahre alt und hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine zentrale Bedeutung in den wirtschaftsbezogenen Aktivitäten der Vereinten Nationen erlangt. Sie beschäftigt sich mit der Suche nach Wegen für eine verlustarme Gewinnung, eine rationelle Verwendung und eine faire Vermarktung von Rohstoffen. Aufgrund dieser Aufgabenstellung sind Rohstoff-, Entwicklungs-, Welthandels- und Umweltpolitik eng miteinander verzahnt. Die naturbedingte Knappheit von Rohstoffen schafft Verteilungsprobleme, die sogar in Kämpfe ausarten können. Oft wird darauf hingewiesen, dass Rohstoffe seit Menschengedenken Anlass zu zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen gegeben haben. Diese Gefahr nimmt zu, da im weiteren Sinne heute auch Grundnahrungsmittel, Primärenergieträger wie Erdöl sowie sauberes Trinkwasser zu den Rohstoffen gehören. Bald werden sechs Milliarden Menschen auf der Erde leben, im Jahre 2020 sollen es acht Milliarden sein. Wenn die Bevölkerung so weiter wächst wie bisher, werden die Visionen des Club of Rome von 1972 oder des Berichts »Global 2000« von 1981 oder der Kassandra-Konferenz von 1992 wahr, die noch innerhalb des 21. Jahrhunderts absolute Grenzen für ein nachhaltiges Wachstum und den dafür nötigen Rohstoffverbrauch auf unserem Planeten prognostizierten.
 
Als Rohstoffe bezeichnet man im Allgemeinen alle natürlich gebildeten Stoffe, die der Mensch sich gezielt aneignet und nutzt. Diese Definition umfasst zunächst alle mineralischen Rohstoffe, die durch langzeitige geologische Prozesse entstanden sind und mithilfe von Aufbereitungstechniken für den Handel und die Nutzung vorbereitet werden. Weiterhin gehören alle agrarischen Rohstoffe dazu, die in der Land- oder Forstwirtschaft erzeugt und nach der Ernte noch für Handel und Verbrauch weiterverarbeitet werden. Mineralische Rohstoffe sind nicht regenerierbar und ihre Gewinnung ist extrem standortgebunden. Agrarische Rohstoffe dagegen sind in bestimmten Grenzen regenerierbar und weisen auch hinsichtlich des Produktionsortes eine gewisse Flexibilität auf. Die Zeit, die für die Regeneration angesetzt werden muss, ist je nach agrarischem Rohstoff verschieden: Bei Kaffee sind es mindestens drei Jahre, bei Kautschuk sechs Jahre, bei Tropenhölzern in vielen Fällen bis zu 80 Jahre.
 
Für Ernährung und industriell hergestellte Güter werden heute eine große Anzahl verschiedener Rohstoffe benötigt. In einem Stück Kuchen sind agrarische Rohstoffe wie Getreide, Zucker, Fette und Früchte verarbeitet, in einem Auto eine Fülle mineralischer Rohstoffe wie Gussstahl, Gusseisen, vergüteter Stahl mit Legierungsbestandteilen aus Nickel, Mangan, Molybdän, Vanadium, Kobalt und Niob, galvanisch veredelter Stahl mit Überzügen aus Zink, Aluminium, Chrom, Zinn, Cadmium und Nickel, Legierungen auf Kupfer- oder Bleibasis sowie agrarische Rohstoffe wie Kautschuk in den Reifen, Holz am Armaturenbrett, Baumwolle in den Sitzen oder Hartfasern in den Fußmatten. Schließlich werden zum Betreiben des Autos verschiedene Erdölderivate als Treibstoff und als Schmiermittel benötigt. Diese Beispiele sollen demonstrieren, wie stark unser Lebensstandard von der Versorgung mit vielfältigen Rohstoffen abhängig geworden ist, von denen eine große Anzahl importiert werden muss. Die unterschiedliche Verfügbarkeit führt zu einer Abhängigkeit der Importländer von Lieferungen aus Exportländern, die wiederum aus wirtschaftlichen Gründen von der Ausfuhr ihrer Rohstoffe abhängig sind.
 
Rohstoffmärkte sind keine herkömmlichen Gütermärkte, denn Rohstoffe weisen einige spezifische Eigenschaften auf, die auch zu besonderen Verhältnissen auf den Rohstoffmärkten führen. Aus dieser Sondersituation erwächst der politische Handlungsbedarf. Die wesentlichen Merkmale von Rohstoffmärkten sind unter anderem: die naturgegeben ungleiche Verteilung der Rohstoffe, insbesondere der mineralischen, auf der Erde; die starre Standortorientierung der Produktion, die hohe Infrastrukturaufwendungen bedingt und oft Zuwanderungen von Arbeitskräften erfordert; die naturgegeben starken Qualitätsunterschiede, die durch erste Bearbeitungsschritte homogenisiert werden müssen; die fehlende oder eingeschränkte Regenerierbarkeit der Rohstoffe, die zur Erschöpfung der Vorkommen führen kann; die Erzeugung erheblicher Mengen von Reststoffen, die Umweltgefahren bergen; oligopolistische, das heißt auf wenigen Großunternehmen beruhende Angebotsstrukturen sowie geringe Elastizität des Angebots in Bezug auf den Preis. Alle diese speziellen Marktfaktoren sind auch preisbestimmend. Ein tendenzielles Überangebot führt real zu rückläufigen Preisen auf vielen Rohstoffmärkten, die das Wirtschaftswachstum in den Rohstoff importierenden Industrieländern auf Kosten der Exportländer begünstigen.
 
 Die rohstoffpolitische Dimension
 
Der internationale Handel mit Rohstoffen hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen. Während 1970 für insgesamt 114 Milliarden Dollar Rohstoffe weltweit exportiert wurden, belief sich das Gesamtvolumen 1985 schon auf 681 Milliarden Dollar und 1997 auf rund 965 Milliarden Dollar. An diesem Zuwachs waren die Entwicklungsländer erheblich beteiligt, denn aus der Dritten Welt kamen 1970 Rohstoffe für knapp 48 Milliarden Dollar, 1985 für 308 Milliarden Dollar und 1997 für gut 396 Milliarden Dollar. Inzwischen sind alle Länder am Rohstoffhandel beteiligt, wobei verschiedene Ländergruppen unterschieden werden können: Die Rohstoff exportierenden Industrieländer (Australien, Kanada, USA) sind vorrangig an stabilen Preisen interessiert, die Rohstoff exportierenden Entwicklungsländer (Brasilien, Indonesien, Chile, Kolumbien) vorrangig an stabi- len Exporterlösen, die Rohstoff importierenden Industrieländer (Japan, Deutschland, Frankreich, Italien) vorrangig an sicherer Versorgung und die Rohstoff importierenden Entwicklungsländer (China, Indien, Argentinien, Türkei) vorrangig an niedrigen Preisen. Die im Rahmen der internationalen Rohstoffpolitik entwickelten Konzepte und Aktionspläne konzentrieren sich bis in die jüngste Vergangenheit darauf, die Rohstoffweltmärkte zu beeinflussen. Im Vordergrund standen dabei preispolitische Ziele wie Stabilisierung oder Erhöhung von Preisen oder Garantien für Mindestpreise. Die rein wirtschaftlich orientierte Rohstoffpolitik ist in erster Linie eine Rohstoffpreispolitik.
 
Inzwischen gibt es auf den meisten Rohstoffmärkten internationale Organisationen. Soweit sie von Staaten eingerichtet wurden, was überwiegend der Fall ist, basieren sie auf völkerrechtlichen Verträgen. Lediglich auf einigen Märkten seltener Metalle wie Wolfram, Magnesium oder Tantal existieren auch Produzentenvereinigungen auf privater Basis, die von großen Minen- und Hüttengesellschaften gegründet wurden. Grundsätzlich gibt es zwei Gruppen von Organisationen auf Rohstoffmärkten, die sich hinsichtlich der Mitgliedschaft klar unterscheiden. In der einen Gruppe sind nur Produzentenländer oder Exportländer des Rohstoffs organisiert, in der anderen Gruppe ist die Mitgliedschaft auch auf die Verbraucherländer ausgedehnt. Während jene Organisationen, die auf die Angebotsseite beschränkt sind, nur die Interessen von Produzenten vertreten, müssen die Organisationen, die Angebot und Nachfrage unter einem Dach vereinen, bereits bei der Bestimmung ihrer Rohstoffpolitik einen Interessenausgleich zwischen Produzenten und Verbrauchern finden. Die Gründung von rohstoffspezifischen Organisationen wird von den Vereinten Nationen seit mehr als 20 Jahren aktiv unterstützt. Im Rahmen des Integrierten Rohstoffprogramms (IPC) der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) wurden die Produzenten-Verbraucher-Organisationen erheblich aufgewertet und die Neugründung entsprechender Organisationen wurde ausdrücklich angeregt. Dieses Integrierte Rohstoffprogramm räumt solchen Organisationen eine Sonderstellung bei der finanziellen Unterstützung durch den aus Pflichtbeiträgen der Mitgliedsländer gebildeten Gemeinsamen Rohstoff-Fonds ein, der 1980 zur Finanzierung des Programms konzipiert wurde.
 
In den Siebzigerjahren hat sich die UNCTAD als wichtigstes Gremium der internationalen Rohstoffpolitik profiliert. Die Ende Dezember 1964 als Organ der UNO-Generalversammlung gegründete UNCTAD — heute eine ständige Sonderorganisation der UNO mit 188 Mitgliedern (Stand 1998), einem Sekretariat in Genf und verschiedenen Gremien, darunter eine Rohstoff-Kommission — soll Handel und Entwicklung fördern. Zu diesem Zweck hält sie alle vier Jahre große Konferenzen ab, die wegweisende Resolutionen zum Welthandel verabschieden. In den Siebzigerjahren betrachtete die UNCTAD den Rohstoffhandel als zentrales Problem der Entwicklungsländer und stellte ihn folgerichtig in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. Die UNO-Generalversammlung hat der UNCTAD offiziell mehrmals das uneingeschränkte Mandat für die internationale Rohstoffpolitik eingeräumt. Zwangsläufig trat dadurch die enge Verknüpfung von Rohstoff- und Entwicklungspolitik hervor, die für alle rohstoffpolitischen Maßnahmen der UNO typisch ist. Ein ähnliches Konzept liegt der Rohstoffpolitik der Europäischen Union zugrunde. Die wesentlichen Richtlinien des Handels mit Rohstoffen sind im Lomé-Abkommen der EU mit derzeit 71 AKP-Ländern (Staaten in Afrika, der Karibik und des Pazifiks) festgelegt. STABEX, das System für die Stabilisierung der Exporterlöse bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, und SYSMIN, das System zur Stabilisierung mineralischer Exporterlöse, sind Instrumente, die in hohem Maße entwicklungspolitischen Zielsetzungen verpflichtet sind.
 
Die zuvor erwähnten rohstoffpreispolitischen Zielvorstellungen werden von UNO und EU hinreichend verfolgt. Da die internationalen Gremien dem Bedürfnis der Industrieländer mit hohem Importbedarf nach Versorgungssicherheit kaum Rechnung tragen, haben sich einige dieser Industrieländer zu einer nationalen Rohstoffpolitik entschieden, die aber natürlich auf den Weltmarkt ausgerichtet ist. Die Ziele, die diese Staaten mit ihrer Rohstoffpolitik verfolgen, sind: Versorgungssicherheit, Qualitätsgarantien, Preisstabilität und Ressourcenschonung. In der bisherigen Praxis sind die rohstoffpolitischen Strategien vorrangig darauf ausgerichtet, die Versorgung mit Rohstoffen sicherzustellen. Hierzu zählen zum Beispiel: Verbesserung der weltweiten Handelsbeziehungen von Unternehmen; Erhöhung der Eigenversorgung, wobei vor allem das Recycling von Rohstoffen im Vordergrund steht; die Erhöhung von Angebotselastizitäten, wobei als bewährtes Instrument die Einrichtung von Vorratslagern gilt; Verbesserung von Rahmenbedingungen für Import, Produktion und Weiterverarbeitung von Rohstoffen, wie etwa Forschungsprogramme, Zollbefreiungen, Unterstützung von Marketingmaßnahmen oder Schaffung von Rechtssicherheit im Umweltbereich.
 
Als Beispiel für die staatliche Unterstützung von deutschen Unternehmen bei der risikoreichen Exploration mineralischer Rohstoffe ist das Explorationsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums zu nennen, das 1971 begonnen wurde und bis Ende 1990 Projekte der Lagerstättensuche vor allem im Ausland finanziell unterstützte, indem es Zuschüsse gewährte, die nur unter bestimmten Bedingungen zurückgezahlt werden mussten. In den zwanzig Jahren Laufzeit des Programms wurden 410 Projekte mit insgesamt 525 Millionen DM bezuschusst, davon 336 Projekte im Ausland mit 373 Millionen DM. Etliche erfolgreiche Explorationen führten zur Gründung neuer Bergwerke unter Beteiligung deutscher Firmen, etwa der Gold-Kupfer-Mine »Ok Tedi« in Papua-Neuguinea oder der Blei-Zink-Mine »Song Toh« in Thailand. Ein herausragendes Beispiel für strategische Lagerhaltung ist das stockpiling der USA. Es umfasst knapp 100 Rohstoffgruppen, für die eine kritische Versorgungslage in Krisenzeiten prognostiziert wurde, da ein erheblicher Teil des Bedarfs importiert werden muss. Begonnen wurde mit der Einlagerung bereits 1939: Damals spielten militärische Überlegungen eine herausragende Rolle. Nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem aber während des Koreakriegs, wurden die Bestände mit einem Kostenaufwand von rund sieben Milliarden Dollar aufgestockt. Das vom Verteidigungsministerium verwaltete stockpiling wurde seit 1973 deutlich reduziert, da die Versorgung mit Rohstoffen auch im Zuge der Globalisierung von Handel und Unternehmenstätigkeit heute als weniger problematisch angesehen wird. Schließlich kann die Zollregelung für Rohstoffeinfuhren in den Ländern der Europäischen Union als Beispiel für direkte Handelsförderung angeführt werden. Vor allem mineralische, aber auch agrarische Rohstoffe, die der industriellen Güterproduktion dienen, sind zollbegünstigt. So können Erze und Erzkonzentrate sogar zollfrei eingeführt werden. Je höher die Verarbeitungsstufe ist, desto höher sind dann die Zollsätze.
 
Generell können Krisen in der Rohstoffversorgung importabhängiger Industriestaaten nach zwei wesentlichen Gesichtspunkten beurteilt werden: zum einen nach der Wahrscheinlichkeit von Versorgungsstörungen, zum anderen nach der Verwundbarkeit der Wirtschaft dieser Länder. Die Wahrscheinlichkeit von Versorgungskrisen ist vornehmlich von zwei Faktoren abhängig: einerseits von einer starken Konzentration des Angebotes, andererseits von politischen Auseinandersetzungen in den Lieferländern oder zwischen Export- und Importländern. Die monopolartige Angebotsposition Südafrikas für Rohstoffe wie Platin, Mangan, Chrom und Industriediamanten galt in den Achtzigerjahren als typisches Beispiel für eine Angebotsstruktur, die erhebliche Versorgungsrisiken aufweist. Der zweite Aspekt, die Verwundbarkeit von Industriestaaten, ist insbesondere von den Verwendungspräferenzen des Rohstoffes abhängig, also von den technologischen und ökonomischen Möglichkeiten seiner Substitution (Ersetzung). Für die meisten Industrieländer wurden immer wieder die gleichen Rohstoffe mit hohem Versorgungsrisiko identifiziert: neben dem wichtigsten Primärenergieträger Erdöl einige Stahlveredler wie Chrom, Mangan und Kobalt, weiterhin das Katalysatorenmetall Platin und das Elektronikmetall Tantal sowie von den nichtmetallischen Mineralien die als Düngemittelrohstoff eingesetzten Phosphate.
 
Die Theorie der rohstoffpolitischen Krisenvorsorge weicht allerdings oft von der gängigen Praxis ab. Anstatt die für Krisenfälle eingelagerten Rohstoffe günstig an die einheimische Industrie zu verkaufen, versuchte man bisher gerade in Zeiten der Versorgungsstörungen, noch weitere Vorräte anzuhäufen, was die Knappheit auf dem Markt verstärkte und die Preise in die Höhe trieb. Diese Praxis konnte man in Westeuropa und den USA vor allem während der Ölkrise 1973/74 beobachten. Zwar hatten fast alle Industrieländer Erdölvorräte für mindestens drei Monate angelegt, aber keine Regierung nutzte diese Vorräte zur Überbrückung von Engpässen. Stattdessen wurden autofreie Sonntage und Einschränkungen beim Heizen oder bei der Elektrizitätserzeugung verfügt.
 
 Die entwicklungspolitische Dimension
 
Von vielen Wissenschaftlern wird die ständige Verschlechterung der terms of trade (Handelsbedingungen) als größtes Problem der Entwicklungsländer eingestuft. Die terms of trade sind eine Maßzahl für die Austauschrelation zwischen Exportgütern und Importgütern eines Landes, sie bezeichnen also das Verhältnis von Export-Preisindex zu Import-Preisindex. In den letzten Jahrzehnten ist der Preisindex für Rohstoffe zumindest inflationsbereinigt kaum gestiegen. Zwischen 1970 und 1990 haben sich die Preise für alle Rohstoffe — ausgenommen Primärenergieträger — um nominell 2,9 Prozent erhöht, inflationsbereinigt aber sind sie um 3,2 Prozent gesunken. Diese Tendenz setzte sich in den Neunzigerjahren fort, wenn auch infolge vorübergehender Rohstoffpreissteigerungen 1994 und 1995 etwas abgeschwächt. Die Preise für arbeitsintensive, einfache Industriegüter (Textilien) verhalten sich ähnlich wie die Rohstoffpreise, während die Preise für hochwertige Verbrauchsgüter und vor allem für Investitionsgüter kontinuierlich gestiegen sind.
 
Viele Entwicklungsländer erzielen den überwiegenden Teil ihrer Exporterlöse aus dem Verkauf von Rohstoffen, weswegen sie auf stabile und faire Weltmarktpreise in hohem Maße angewiesen sind. Verschärft wird diese Situation noch aufgrund der einseitigen Ausrichtung der Exportwirtschaft vieler Entwicklungsländer auf einen bestimmten Rohstoff. Das trifft nicht nur auf typische Erdölexportländer wie Irak, Iran, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate zu, sondern auch auf Exportländer von Kaffee wie Burundi, Uganda, Guatemala oder El Salvador, auf Exportländer von Bauxit/Tonerde wie Surinam, Jamaika oder Guinea, auf Exportländer von Kupfer wie Chile, Sambia, Demokratische Republik Kongo (Zaire) und Papua-Neuguinea oder auf Exportländer von Tropenholz wie Birma (Myanmar), Kambodscha oder die Salomoninseln. Insgesamt erzielen derzeit 88 Entwicklungsländer mehr als 50 Prozent und 23 Entwicklungsländer sogar mehr als 90 Prozent ihrer Exporterlöse aus dem Handel mit nur drei Rohstoffen. Schon bald nach Gründung der Vereinten Nationen hat sich ihr Wirtschafts- und Sozialrat mit internationaler Rohstoffpolitik beschäftigt. Damals wurden die Aktivitäten der UNO noch vorrangig von den USA bestimmt, die großes Interesse an einer gesicherten Rohstoffversorgung ihrer Industrie einschließlich Rüstungsindustrie hatten. Auf der Welthandelskonferenz im März 1948 in Havanna (Kuba) wurden die hauptsächlichen Probleme der Rohstoffweltmärkte thematisiert, nämlich strukturelle Marktungleichgewichte und starke Preisschwankungen. Die Havanna-Charta forderte internationale Abkommen zur Regulierung des Welthandels mit Rohstoffen und formulierte allgemeine Grundsätze für internationale Rohstoffabkommen. Obwohl die Havanna-Charta nie in Kraft trat, wur- den schon bald vergleichbare Abkommen für Weizen (1948/49), Zucker (1953), Zinn (1954), Olivenöl (1956) und Kaffee (1959) geschlossen. Diese Rohstoffabkommen haben in aller Regel zum Ziel, Rohstoffpreise zu stabilisieren und Mindestpreise zu garantieren. Die Instrumente, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, sind entweder gerade noch marktkonform, wie etwa eine Preisstabilisierungsreserve (bufferstock), oder aber schon nicht mehr marktkonform, wie alle Kontingentierungen, Export- oder Produktionsquoten zur künstlichen Angebotsverknappung. Die in der Nachkriegszeit stark ausgeprägte Befürchtung der USA, es könne in Krisenfällen zu Versorgungsengpässen auf Rohstoffmärkten kommen, hat die amerikanische Regierung, die sonst stets für eine Liberalisierung des Welthandels eintrat, damals für solche internationalen Rohstoffabkommen eingenommen.
 
Nachdem die Entkolonialisierung zu Beginn der Sechzigerjahre fast abgeschlossen war, traten die Probleme der jungen Staaten in Afrika und Asien immer deutlicher zutage. Strukturen, die nur den Anbau von einer Nutzpflanze für den Export zuließen, wurden schon bald als Nachteil für die wirtschaftliche Entwicklung erkannt. Die Generalversammlung der UNO berief deshalb eine weitere große Welthandels- und Entwicklungskonferenz 1964 nach Genf ein (UNCTAD), auf der die internationalen Rohstoffabkommen und ihre Funktionsfähigkeit ein zentrales Thema waren. Konferenzen der UNCTAD finden alle vier Jahre statt, so tagte die 9. Konferenz (UNCTADIX) 1996 in Midrand (Südafrika). Aus rohstoffpolitischer Sicht war die UNCTAD IV 1976 in Nairobi (Kenia) die wichtigste Konferenz, denn damals wurde das Integrierte Rohstoffprogramm beschlossen, das eine umfassende Regulierung von 18 Rohstoffmärkten anstrebte, die für die Entwicklungsländer von besonderer Bedeutung sind. Zehn dieser ausgewählten Rohstoffe wurden als Kernrohstoffe bezeichnet, für die internationale Rohstoffabkommen mit Ausgleichslagern vorgesehen wurden. Die zehn Kernrohstoffe sind: Kaffee, Kakao, Tee, Zucker, Baumwolle, Jute, Hartfasern (Sisal), Kautschuk, Kupfer und Zinn. Um die Ausgleichslager und weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Rohstoffmärkte zu finanzieren, wurde am 27. Juni 1980 der Gemeinsame Rohstoff-Fonds geschaffen. Dieser Fonds verfügt über zwei Schalter oder Konten (accounts), wovon der Erste Schalter mit 400 Millionen Dollar ausgestattet wurde, um Ausgleichslager von Rohstoffabkommen zu finanzieren, während der Zweite Schalter über 70 Millionen Dollar Pflichtbeiträge sowie zusätzliche freiwillige Zahlungen von inzwischen 105 Mitgliedsländern enthält, die für Projekte zur Marktentwicklung verwendet werden sollen. Der gegenwärtige Stand der Arbeit des Gemeinsamen Rohstoff-Fonds als Herzstück des Integrierten Rohstoffprogramms verdeutlicht die krisenhafte Situation der internationalen Rohstoffpolitik, die eine neue Konzeption entwickeln muss, um den veränderten Rahmenbedingungen des Welthandels mehr zu entsprechen.
 
Umstritten ist vor allem, ob ein eigenständiger Fonds zur Unterstützung von Rohstoffprojekten notwendig ist. Es wird immer wieder die Frage gestellt, ob der Fonds eine spürbare Lücke im System internationaler Finanzierungsinstitutionen ausfüllt oder nicht. Eine positive Antwort auf diese kritische Frage ist durchaus möglich. Für überregionale, weltmarktbezogene Projekte des Rohstoffhandels gibt es eine Finanzierungslücke. Der Fonds muss allerdings ständig darauf achten, dass er seine Aktivitäten auf diese Nische beschränkt. Das Problem des Gemeinsamen Rohstoff-Fonds ist also nicht so sehr die Frage seiner Existenzberechtigung, sondern es ist die fehlende Reformbereitschaft oder Reformfähigkeit der UNCTAD. Nachdem die Prozedur der Einrichtung und Ratifizierung des Fonds fast 15 Jahre gedauert hat und sich inzwischen Weltwirtschaft, Welthandel sowie die Situation der Entwicklungsländer gravierend verändert haben, ist eine Anpassung der Ziele, der Aufgaben und der Arbeitsweise angebracht, die aber bisher versäumt wurde. Das Konzept des Gemeinsamen Rohstoff-Fonds ist eine Mischung aus überholten rohstoffpolitischen und eher Erfolg versprechenden entwicklungspolitischen Ansätzen. Der Erste Schalter sollte die Wirksamkeit internationaler Rohstoffabkommen unterstützen, doch diese haben sich als ungeeignet erwiesen, um längerfristige rohstoffpolitische Zielsetzungen zu realisieren. Als der Fonds in Kraft trat, stand dies längst fest und wurde durch das Scheitern des Zinnabkommens, des Kaffeeabkommens oder des Kakaoabkommens dokumentiert. Eine Manipulation von Weltmarktpreisen, die mit hohen Kosten verbunden ist, gelingt höchstens kurz- bis mittelfristig. Alle dirigistischen Maßnahmen, die Preise zu beeinflussen, verdecken strukturelle Ungleichgewichte, die zunächst immer stärkere Eingriffe bedingen und schließlich den gesamten Marktmechanismus zerstören.
 
Dem Marktgeschehen angepasster sind Maßnahmen zur Erhöhung der Markttransparenz und des Wettbewerbs. Die entwicklungspolitischen Grundsätzen folgende internationale Rohstoffpolitik sollte sich ohnehin nicht am Preis, sondern am Exporterlös orientieren. Das Problem der Rohstoff exportierenden Entwicklungsländer liegt in den schwankenden und oft ungenügenden Erlösen für ihre Rohstoffe auf den Weltmärkten. Die EG hat deshalb schon 1975 im ersten Lomé-Abkommen das STABEX-System konzipiert. Danach soll den 71 AKP-Staaten unter bestimmten Bedingungen der Erlösausfall beim Export agrarischer Rohstoffe durch Ausgleichszahlungen erstattet werden. Nach einem komplizierten System von Abhängigkeitsschwellen und Auslöseschwellen werden an die meist zur Gruppe der ärmsten Entwicklungsländer gehörenden Staaten Zahlungen geleistet, bis 1990 in Form von zinslosen Sonderdarlehen, seit In-Kraft-Treten von Lomé IV am 1. September 1991 als Zuschüsse. Die Transferzahlungen aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) sollen die schädlichen Auswirkungen abmildern, die die Schwankungen der Ausfuhrerlöse zeitigen. Der begünstigte AKP-Staat vereinbart mit der EU-Kommission in Brüssel die Verwendung der Mittel, die der landwirtschaftlichen Produktion im weitesten Sinne, einschließlich der vertikalen und horizontalen Diversifikation, das ist die Auffächerung des Leistungsprogramms, zugute kommen sollen. 50 agrarische Rohstoffe oder Rohstoffgruppen sind in das STABEX-System einbezogen worden. Bisher wurden Ausgleichszahlungen für Exporterlöseinbußen schwerpunktmäßig für die Rohstoffe Kaffee, Kakao und Baumwolle gezahlt, mithin kamen sie vor allem den Ländern Elfenbeinküste, Kamerun und Äthiopien zugute. Zusätzlich hat die EU-Kommission noch Protokolle für Zucker, Bananen und Rindfleisch unterzeichnet, die nicht nur den freien Zugang dieser Rohstoffe zum europäischen Markt bis zu einer vereinbarten Höchstmenge garantieren, sondern auch günstige Preise offerieren.
 
In der ersten Lomé-Konvention vom Februar 1975 war in der Liste der Rohstoffe, auf die das STABEX-System angewandt wird, mit Eisenerz auch ein Bergbauprodukt enthalten. Als die AKP-Staaten aber die Anzahl der mineralischen Rohstoffe ausdehnen wollten, wurde bald klar, dass dies im Rahmen eines reinen Erlösstabilisierungssystems nicht finanzierbar ist. Seit Lomé II gibt es deshalb neben STABEX auch SYSMIN, eine besondere Finanzierungshilfe für Projekte zur Sanierung von Bergwerken, zur Unterstützung von Diversifizierungsbemühungen, zur Förderung von Umstrukturierungsmaßnahmen und neuerdings auch zur Verbesserung des Umweltschutzes bei der Gewinnung mineralischer Rohstoffe. SYSMIN unterstützt ausschließlich Projekte in denjenigen AKP-Ländern, die 10 bis 15 Prozent ihrer Exporterlöse mit einem der folgenden Rohstoffe beziehen: Kupfererz, Kobalt, Bauxit, Zinnerz, Eisenerz, Manganerz, Phosphate, seit 1990 auch Gold und Uran. Auch bei SYSMIN wurden bei der Auszahlung von Finanzierungsmitteln zwei Rohstoffe besonders bevorzugt: Kupfer und Bauxit.
 
Seit etlichen Jahren wird Kritik an der entwicklungspolitisch motivierten Rohstoffpolitik der EU geäußert. Sie betrifft vor allem die regionale Begrenzung auf die AKP-Länder, die zwar vage historisch begründet wird, aber längst nicht mehr politisch gerechtfertigt werden kann, und die ungenügenden Kontrollen hinsichtlich einer entwicklungspolitisch sinnvollen Verwendung von Transferzahlungen in den Empfängerländern. Seit 1991 hat sich die Situation tendenziell gebessert, da jetzt ein »Rahmen gegenseitiger Verpflichtungen« festgelegt wird. Doch fehlt immer noch ein wirkungsvoller Kontrollmechanismus; die Prozedur von Antragstellung und Genehmigungsverfahren ist umständlich und langwierig, vor allem bei den SYSMIN-Projekten; bemängelt wird die starke Konzentration der Transferzahlungen auf wenige Rohstoffe und wenige Länder; die widersprüchlichen Zielsetzungen und unterschiedlichen Interessen der beteiligten Staaten lassen sich nur selten konfliktfrei auf einen Nenner bringen. Gleiches gilt für das STABEX-System. Zudem fehlt häufig eine effektive Koordination zwischen STABEX und anderen Instrumenten des EEF. Etliche ernst zu nehmende Kritiker verlangen eine völlig neue Konzeption der EEF-Instrumente STABEX und SYSMIN, was de facto eine Aufgabe der Systeme im Jahr 2000 bedeuten würde. Der Entwurf für das V. Lomé-Abkommen sieht freilich nur eine kleinere Reform vor.
 
Ein besonders anschauliches Beispiel der engen Verknüpfung von Rohstoffpolitik und Entwicklungspolitik lässt sich aus den Achtzigerjahren anführen. Die aktive Preispolitik des Rohstoffkartells Erdöl exportierender Länder OPEC hatte zu einem sprunghaften Anstieg der Rohölpreise auf dem Weltmarkt in den Jahren 1974 und 1979 sowie zur starken Erhöhung der Einnahmen der Erdölexportländer geführt. Die daraus resultierenden Leistungsbilanzüberschüsse einiger OPEC-Länder wurden als Petrodollars unter Einschaltung privater Banken an Entwicklungsländer, insbesondere an rohstoffreiche Schwellenländer wie Brasilien und Mexiko, ausgeliehen. Die damit einhergehende Überschuldung führte zur Schuldenkrise, die durch vermehrte Rohstoffexporte gemildert werden sollte. Das erhöhte Angebot auf den Weltmärkten bedingte einen Preisverfall, der sich noch beschleunigte, da die niedrigen Preise zu noch höheren Exportmengen führten, um die Erlöse insgesamt zu stabilisieren. Das notorische Überangebot auf zahlreichen Rohstoffmärkten seit 1985 ist somit auch auf die Schuldenkrise zurückzuführen.
 
 Die umweltpolitische Dimension
 
Die Gewinnung mineralischer Rohstoffe im industriellen Maßstab gilt als umweltgefährdend, weil größere Mengen an festen, flüssigen und gasförmigen Abfällen entstehen, die zumindest teilweise Schadstoffe enthalten. Besonders gefährden Explorationsbohrungen nach Erdöl wegen der Möglichkeit unkontrollierter Ölausbrüche und die Aufbereitung von Erzen wegen der Verwendung von giftigen Chemikalien Wasser, Luft und Boden. Auch die Produktion von agrarischen Rohstoffen birgt Umweltrisiken. Nicht nur die Abholzung von Wäldern zur Holzgewinnung, sondern auch Plantagenwirtschaft oder unsachgemäße Verwendung von Pestiziden und Düngemitteln in der Landwirtschaft können zu Umweltschäden führen.
 
Die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit für die Probleme des Umweltschutzes bei der Produktion, dem Transport, der Lagerung und der Weiterverarbeitung von Rohstoffen wurde durch katastrophenartige Ereignisse gesteigert, die dann auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene zu politischem Handeln führte. Zu den ersten Katastrophen zählten Tankerunglücke mit großräumigen Ölverschmutzungen auf See und an Küsten. Im März 1967 havarierte der liberianische Großtanker »Torrey Canyon« vor den Scilly- Inseln (Cornwall/Großbritannien). Weltweites Aufsehen erregten auch die Schiffbrüche der »Amoco Cadiz« im März 1978 vor Brest/Frankreich oder der »Exxon Valdez« im März 1989 im Prince William Sound vor Alaska sowie die Kollision der beiden Supertanker »Venoil« und »Venpet« 1977 vor der Küste Südafrikas. Die UNO hat bereits in den Sechzigerjahren politisch reagiert, indem sie eine zwischenstaatliche Organisation und einen Internationalen Ausgleichsfonds für Ölverschmutzungen ins Leben rief. Die finanzielle Ausstattung des Ausgleichsfonds mit 28,5 Millionen Dollar hat sich indes als zu gering erwiesen.
 
Auch die Aufbereitung von Erzen birgt die Gefahr katastrophenartiger Umweltschäden, wie exemplarisch die Goldgewinnung zeigen kann. Im Jahre 1984 war die Gold-Kupfer-Mine »Ok Tedi« in Papua-Neuguinea gleich zweimal von spektakulären Unglücken betroffen. Zunächst gingen 27 Tonnen Natriumzyanit bei sehr unruhigem Seegang im Golf von Papua über Bord. Die Fässer rosten auf dem Meeresboden und stellen eine gefährliche Zeitbombe für die Meeresfauna der Region dar. Wenige Wochen später kenterte ein Frachter mit 135 Tonnen Natriumzyanit auf dem Fly River, der zur Mine führt, und erzeugte ein ähnliches Gefahrenpotenzial. Die Ausbeutung brasilianischer Goldminen führte zu einer weiträumigen Verseuchung der Flüsse: Bisher gelangten in diese etwa 1200 Tonnen Quecksilber, das bei der Amalgamation — einem Verfahren zur Gewinnung von Gold aus Erzen durch Lösen in Quecksilber — als Rückstand anfällt. Doch bergbaubedingte Umweltschäden größeren Ausmaßes sind auch aus Deutschland bekannt, vornehmlich aus der DDR. So leiteten die drei volkseigenen Kombinate des Kalibergbaus in Thüringen 12 Millionen Tonnen Salzlaugen pro Jahr in die Werra und verbrachten in den letzten Jahrzehnten rund 900 Millionen m3 Salzlauge in den Untergrund, wo weit reichend Grundwasser versalzt wurde. Aus den Braunkohlerevieren in der Lausitz, in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg sind großflächige Schäden der Landschaft bekannt, wobei der Tagebau Espenhain bei Leipzig immer wieder als unrühmliches Beispiel herausgestellt wird. Die markantesten Schäden aber sind von der Wismut AG in den Uranbergwerken östlich von Gera und südöstlich von Zwickau verursacht worden. Der Bergbau wurde nach der Wiedervereinigung 1990 sofort eingestellt und für die Sanierungskonzepte musste die Bundesregierung zunächst 13 Milliarden DM zur Verfügung stellen. Die größten Gefahren gehen von den Aufbereitungshalden und Aufbereitungsschlammteichen aus, die Chemikalienreste, unter anderem auch Radium und Arsen, enthalten.
 
Auffällig ist die zögerliche Berücksichtigung von Umweltschutzmaßnahmen in der internationalen Rohstoffpolitik. Das Integrierte Rohstoffprogramm von 1976 und der Gemeinsame Rohstoff-Fonds von 1980 enthalten noch keine eindeutigen ökologischen Zielsetzungen. Erst die 8. UNCTAD-Konferenz 1992 in Cartagena (Kolumbien) und natürlich die große Umwelt- und Entwicklungskonferenz von Rio de Janeiro im Juni 1992 beschäftigten sich intensiv mit umweltrelevanten Themen der Rohstoffpolitik. Allerdings enthalten zwei völkerrechtliche Verträge aus den Achtzigerjahren bereits Umweltschutzbestimmungen, nämlich die Seerechtskonvention und die Antarktiskonvention.
 
Zur Finanzierung von umweltrelevanten Rohstoffprojekten stehen zwei wichtige internationale Instrumente zur Verfügung: der Zweite Schalter des Gemeinsamen Rohstoff-Fonds und die Globale Umweltfazilität der Weltbank. Die so finanzierten Projekte sind ausgerichtet auf die Vermeidung von Umweltschäden im Bergbau, auf umweltfreundliche Produktion agrarischer Rohstoffe oder auf die nachhaltige Bewirtschaftung tropischer Regenwälder. Der letzteren Aufgabe widmet sich auch vorrangig die internationale Tropenholzorganisation mit Sitz in Yokohama (Japan), die vielfältige Projekte zum Schutz des Regenwaldes initiiert, finanziert und fachlich betreut.
 
Umwelt- und Ressourcenschutz wurden in den Neunzigerjahren zum zentralen Anliegen der Rohstoff- und Entwicklungspolitik. Dabei geht es um die ökologisch vertretbare Nutzung des Naturraumpotenzials, also um die sparsame Verwendung von Wasser, die schonende Ausbeutung der Bodenschätze und die nachhaltige Nutzung der Böden für die landwirtschaftliche Produktion. Wasserknappheit als Folge von Überbeanspruchung und Verschmutzung vorhandener Wasserressourcen hat in vielen Entwicklungsländern existenzbedrohende Ausmaße angenommen, vor allem in Ballungsgebieten und »Ungunstgebieten« (Steppen, Tundren, Hochgebirge). Der extensive Verbrauch der fossilen Primärenergieträger Kohle, Erdöl und Erdgas erhöht den CO2-Gehalt der Atmosphäre und trägt zur Erhöhung des Schadstoffgehaltes der Luft bei. Unsachgemäße Bearbeitung der Böden, falsche Bewässerungsmaßnahmen und übermäßiger Gebrauch von Pestiziden in der Landwirtschaft bewirken eine Qualitätsminderung von Böden. Es gibt also sehr viele Ansatzpunkte für Maßnahmen des Ressourcenschutzes im Rohstoffsektor. Hier sind auch deutliche Überschneidungen von Rohstoff-, Umweltschutz- und Entwicklungspolitik erkennbar, denn die gravierendsten Probleme treten in den Entwicklungsländern auf, denen durch Technologietransfer bei der Bewältigung der wichtigen Aufgaben geholfen werden muss.
 
 Die machtpolitische Dimension
 
Die naturgegeben ungleiche Verteilung und die damit eingeschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen hat zu zwischenstaatlichen oder innerstaatlichen Konflikten geführt, die in einigen Fällen auch bis zu militärischen Auseinandersetzungen reichten. Die Verteilungskämpfe im 20. Jahrhundert sind sogar immer heftiger geworden, wobei fast ausschließlich die mineralischen Rohstoffe, allen voran Erdöl, und auch Wasser, Grund für Konflikte waren.
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg sind vornehmlich vier Arten machtpolitischer Auseinandersetzungen um Rohstoffvorkommen zu beobachten: Eroberungskriege um Gebiete mit attraktiven Rohstoffvorkommen; Sezessionskämpfe in rohstoffreichen Provinzen; Verzögerung der Entkolonialisierung rohstoffreicher Gebiete; Grenzkonflikte zwischen Nachbarländern um die Nutzung von Wasserressourcen.
 
Aus jüngster Zeit ist der 2. Golfkrieg 1990/91 ein typisches Beispiel für die militärische Eroberung eines rohstoffreichen Nachbarlandes. Der Konflikt entzündete sich an gegenseitigen Beschuldigungen über unrechtmäßige Erdölförderungen im Feld Rumailah entlang der irakisch-kuwaitischen Grenze und eskalierte, als Irak am 2. August 1990 Kuwait besetzte. Mit der multinationalen Operation »Wüstensturm« Anfang 1991 wurde Kuwait wieder befreit, doch die Schäden, die Ölförderanlagen und der Umwelt zugefügt wurden, waren riesig. Irakische Truppen hatten über 700 kuwaitische Erdölquellen in Brand gesteckt, die erst nach Monaten gelöscht werden konnten, mutwillig verursachte Ölaustritte im Golfgebiet hinterließen einen großräumigen Ölteppich. Aber auch bei anderen Krisen in jüngerer Vergangenheit war der Kampf um Erdölvorkommen eine der Ursachen für die Auseinandersetzungen. Nachdem 1980 das Bohrschiff »Glomar Challenger« konkrete Hinweise auf Erdöl im Gebiet der Falklandinseln im Südatlantik entdeckt hatte, landeten am 2. April 1982 argentinische Truppen auf diesen schon lange von Argentinien beanspruchten Islas Malvinas; erst das massive militärische Eingreifen Großbritanniens erzwang die Kapitulation und den vorläufigen Rückzug Argentiniens. Als weiterer Krisenherd kann das Südchinesische Meer gelten, wo die Auseinandersetzungen mit Waffengewalt um kleine, meist unbewohnte Inseln geführt werden, die aber für die Abgrenzung von exklusiven Wirtschaftszonen in diesem Teil des Pazifiks von großer Bedeutung sind. China, Taiwan, Vietnam, die Philippinen und Indonesien streiten sich um Gebiete, in denen größere Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet werden. Schließlich soll noch auf den Sezessionskrieg von Biafra, der früheren nigerianischen Südostprovinz, verwiesen werden, der zwischen 1967 und 1970 um die Unabhängigkeit dieses ölreichen Gebietes geführt wurde.
 
Aber nicht nur Erdöl gibt Anlass für Verteilungskämpfe. Der Reichtum an metallischen Rohstoffen wie Kupfer, Kobalt, Zinn, Zink, Blei, Niob und Tantal in Katanga, der südlichen Provinz des ehemaligen Belgisch-Kongo, führte im Juli 1960 zu einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung Katangas (Shaba-Provinz) von dem damals ganz jungen Staat (heute Demokratische Republik Kongo). Die Sezession wurde nach schweren Kämpfen erst im Januar 1963 durch militärische Aktionen der UNO beendet.
 
Aber auch für die jahrzehntelange Weigerung Südafrikas, Namibia in die Unabhängigkeit zu entlassen, gaben die reichen Bodenschätze des Landes den Ausschlag, zu denen vor allem die ausgedehnten Diamantenfelder am Oranje, die große Uranlagerstätte Rössing, die traditionellen Buntmetallminen von Tsumeb und eine Reihe weiterer Erzvorkommen gehören. Der Völkerbund hatte der Südafrikanischen Union zwar 1920 ein Mandat für die Verwaltung des ehemaligen deutschen Schutzgebietes Südwestafrika gegeben, das aber am 27. Oktober 1966 von der Generalversammlung der UNO offiziell entzogen worden war. Doch Südafrika weigerte sich mit allen Mitteln, diese Entscheidung anzuerkennen, sodass Namibia erst am 21. März 1990 unabhängig wurde.
 
Der besondere Rohstoff Wasser wird mit dem Anwachsen der Bevölkerung auf der Erde immer knapper und zahlreiche Konflikte über die Verteilung von Wasser sind bereits akut, mit der Tendenz zur krisenhaften Entwicklung in einigen Regionen der Welt. Die Situation ist deshalb konfliktträchtig, weil die größeren Flüsse mit ihrem gesamten Einzugsgebiet ein hydrologisches System bilden, das aber oft zu mehreren Staaten gehört. Das Amazonasbecken mit seinem riesigen Einzugsgebiet von 5,87 Millionen km2 verteilt sich auf sieben Länder. Weltweit fließen 214 Flüsse durch zwei oder mehr Länder, und die Nutzungsintensität des Wassers dieser Flüsse zur Bewässerung, zur Elektrizitätserzeugung oder zur Fischzucht hat sich seit 1950 mehr als verdreifacht. Allein die Anzahl der größeren Staudämme (höher als 15 m) ist zwischen 1950 und 1995 von rund 5000 auf 38000 gestiegen. So bleibt es nicht aus, dass Anrainerstaaten der Flusssysteme um Wassernutzungsrechte ringen. Ein markantes Beispiel ist das Jordantal mit seinen Anrainern Syrien, Libanon, Israel, Jordanien und der umstrittenen Westbank; die gerechte Aufteilung des Jordanwassers hat direkten Einfluss auf Sicherheit und Stabilität in der Region. In den israelisch-jordanischen Friedensverhandlungen spielt die Nutzung des Jordanwassers eine zentrale Rolle. Aber auch andere Regionen sind potenzielle Konfliktherde im Kampf um Wasser. Zu erwähnen ist das Gangestal: Dort ist vor allem Bangladesh von den immer größer werdenden Wasserentnahmen in Nepal, besonders aber in Indien, stark betroffen. Prekär ist auch die Lage am Nil, dessen Oberlauf ebenfalls immer mehr Wasser entzogen wird. Sowohl Äthiopien am Blauen Nil als auch Uganda am Weißen Nil haben verschiedene Bewässerungsprojekte in der Planung, die das Nilwasser für Sudan und Ägypten drastisch reduzieren. Die Lage Ägyptens mit seiner ständig wachsenden Bevölkerung wird dadurch Besorgnis erregend. Erwähnt werden soll noch der Aralsee in Zentralasien; seinen Zuflüssen Amudarja und Syrdarja wurde zur Bewässerung der ausgedehnten Baumwollfelder der Region so viel Wasser entzogen, dass sich die Fläche des Sees seit 1960 halbierte und die Anrainerstaaten Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan jetzt um die Sicherstellung der Wasserversorgung in ihren Ländern bangen müssen.
 
Die Konflikte sind natürlich bekannt und werden in Verhandlungen und durch den Abschluss von Verträgen so gut es geht entschärft. Im internationalen Rahmen sind verschiedene Bemühungen angelaufen, regionale Lösungen zu finden, wie etwa die europäische Konvention über die Nutzung grenzüberschreitender Wasserwege und Seen. Der gerechten Verteilung der knappen Ressource Wasser wird auch in Zukunft große politische Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen, um militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden.
 
 Elemente eines rohstoffpolitischen Konzeptes der Zukunft
 
Die internationale Rohstoffpolitik der letzten 30 Jahre ist weitgehend gescheitert. Die meist dirigistischen und global orientierten Maßnahmen zur Marktregulierung haben ihre Ziele bestenfalls kurzfristig erreicht. Auch vor dem Hintergrund des fundamentalen Wandels im Ostblock, der zur Aufgabe der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs führte und mehr marktwirtschaftliche Elemente im Wirtschaftssystem berücksichtigte, ist eine grundlegende Änderung der Konzeption einer internationalen Rohstoffpolitik erforderlich. Dabei müssen sich die Zielsetzungen orientieren an einer Erhöhung der Markttransparenz, einer Verstärkung des Wettbewerbs, einem Abbau von Handelshemmnissen und den Prinzipien des Umwelt- und Ressourcenschutzes, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Diese Ziele sind besser geeignet, die natürlich bedingten Probleme von Rohstoffmärkten wie Beschränkung des Markteintritts, geringe Angebotselastizität und Ressourcenverzehr mit hohem Potenzial an Schadstoffemissionen einer Lösung näher zu bringen; sie sind auch geeignet, einen ungehinderten Handel mit Rohstoffen zu gewährleisten und damit Verteilungskonflikte zu entschärfen.
 
Etliche Maßnahmen können als zielkonform gelten. Dazu gehören vor allem Projekte im Bereich Forschung und Entwicklung, Projekte des Technologietransfers in die Entwicklungsländer oder die Unterstützung von Marketingaktivitäten. Forschungen sollten sich dabei konzentrieren auf Qualitätssicherung, ressourcenschonende Produktion, rationelle Verwendung oder Recycling von Rohstoffen. Dadurch kann indirekt der Wettbewerb auf den Weltmärkten gefördert werden, wobei es vor allem darauf ankommt, die Produzenten in den Entwicklungsländern — und dabei ganz besonders die Klein- und Mittelbetriebe — wettbewerbsfähig zu machen. Diesem Ziel müsste auch der Technologietransfer dienen, der außerdem auf die Verbesserung von Umwelt- und Ressourcenschutz ausgerichtet werden sollte.
 
Die hier skizzierte neue Konzeption der internationalen Rohstoffpolitik ist stärker auf Marktwirtschaft mit entsprechendem Wettbewerb und freizügigem Handel ausgerichtet. Die Bezüge zur Entwicklungspolitik und zur Umweltpolitik sind dabei noch vorhanden, aber die Gewichte wurden verschoben, denn Umwelt- und Ressourcenschutz rücken stärker in den Vordergrund und direkte finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern wird stärker der eigentlichen Entwicklungshilfe überlassen.
 
Das Integrierte Rohstoffprogramm von 1976 als Gesamtkonzept der internationalen Rohstoffpolitik ist völlig überholt. Ein neues Gesamtkonzept existiert noch nicht und seine Entwicklung ist bisher in Ansätzen steckengeblieben. Auf der 8. UNCTAD-Konferenz 1992 in Cartagena wurde die Abhaltung einer Weltrohstoffkonferenz vorgeschlagen, um ein neues Konzept zu erarbeiten. Dazu ist es bislang nicht gekommen, sodass sich entsprechende Hoffnungen auf die 10. UNCTAD-Konferenz im Jahr 2000 in Thailand richten.
 
Prof. Dr. Dr. Werner Gocht
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Erdöl: Das »Ölzeitalter« im Nahen und Mittleren Osten
 
 
Brand, Stefan: Erschöpfbare Ressourcen und wirtschaftliche Entwicklung. Theoretische Analyse und empirische Untersuchung anhand von 42 ressourcenreichen Entwicklungsländern. Hamburg 1989.
 Gerwin, Robert: Die Welt-Energieperspektive. Analyse bis zum Jahr 2030. Taschenbuchausgabe München 1982.
 Herrmann, Roland u. a.: International commodity policy. A quantative analysis. London u. a. 1993.
 
International commodity development strategies, herausgegeben von Budi Hartantyo und Hidde P. Smit. Amsterdam 1993.
 
International mineral development sourcebook, herausgegeben von James F. McDivitt. Golden, Colo., 1993.
 
Kontroversen in der internationalen Rohstoffpolitik. Ein Beitrag zur Rohstoffpolitik der Bundesrepublik Deutschland nach UNCTAD IV, herausgegeben von Theodor Dams. München 1977.
 Maull, Hanns W.: Strategische Rohstoffe. Risiken für die wirtschaftliche Sicherheit des Westens. München 1988.
 
Mineralische Rohstoffe in der Entwicklungszusammenarbeit. Konzepte, Maßnahmen, Beispiele, bearbeitet von Wolfgang Kanera. Bonn 1994.
 
Mining and the environment. International perspectives on public policy, herausgegeben von Roderick G. Eggert. Washington, D. C., 1994.
 
Natural resources forum. A United Nations journal. Band 21. Oxford 1997.
 Pelikahn, Horst-Michael: Internationale Rohstoffabkommen. Baden-Baden 1990.
 Tugendhat, Christopher: Erdöl. Treibstoff der Weltwirtschaft - Sprengstoff der Weltpolitik. Aus dem Englischen. Lizenzausgabe Reinbek 1972.

Universal-Lexikon. 2012.

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